Leseturm. Kolumnen

Hans-Dieter Weber

Was und wie wählen wir eigentlich im September

Mai 2013

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Kolumnen/Kurzgeschichten/Lyrik

Bild: Hans-Dieter Weber und Tochter Laura

Am 22. September wird der nächste Bundestag gewählt. Wir Wähler entscheiden mit unseren beiden Stimmen, welche Volksvertreter uns in den kommenden vier Jahren im Deutschen Bundestag vertreten werden. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, ob das überhaupt stimmt?

Was und wie wählen wir eigentlich? Wie demokratisch im Sinne des Grundgesetzes ist diese Wahl tatsächlich? Im Artikel 20 Grundgesetz heißt es: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Im Artikel 21: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung mit.“ Artikel 38 regelt: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“  Bundestagswahlen werden im Bundeswahlgesetz geregelt. Danach besteht der Deutsche Bundestag aus mindestens 598 Abgeordneten. Gegenwärtig sitzen durch so genannte „Überhang- und Ausgleichsmandate“ 620 im Parlament. Durch die kürzlich erfolgte Novellierung dieses Gesetzes werden es zukünftig sogar noch mehr sein. Das Bundesgebiet ist aber nur in 299 Wahlkreise eingeteilt.

Mit Ihrer Erststimme wählen Sie in Ihrem Wahlkreis einen Kandidaten „unmittelbar“, also direkt. Insgesamt werden auf diese Weise 299 Volksvertreter demokratisch im Sinne des Grundgesetzes gewählt. Daran ist nichts auszusetzen. Doch wie sieht es bei den übrigen Abgeordneten aus (gegenwärtig immerhin 321, das entspricht einem Anteil von 51,8 Prozent)?

Über diese Mandate entscheiden nicht Sie mit Ihrer Zweitstimme „unmittelbar“, so wie es das Grundgesetz fordert. Sie können lediglich eine Parteienliste insgesamt wählen. Die Parteien haben vor der Wahl längst intern die Reihenfolge ihrer Kandidaten in „geschlossenen Listen“, also starr und völlig unabhängig vom Wählerwillen festgelegt. Die Folge: Sie als Wähler haben mit Ihrer Zweitstimme nur Einfluss auf die Anzahl der Mandate pro Partei. Nicht aber darauf, welche Kandidaten damit ins Parlament einziehen. Das entscheiden allein die Parteien hinter verschlossenen Türen. Parteien vertreten gegenwärtig in Deutschland aber nicht mehr als ca. 2 Prozent aller Wahlberechtigten. Eine kleine Minderheit entscheidet somit de facto über die Mehrzahl der Mandate für den Deutschen Bundestag.

Parteien spielen bei Wahlen damit eine Rolle, die ihnen nach dem Grundgesetz so gar nicht zusteht. Wähler dagegen haben auf die Mehrzahl der Mandate keinen unmittelbaren Einfluss. Steht dies alles nicht im Widerspruch zu den oben zitierten Artikeln des Grundgesetzes? Anstelle von „Volksvertretern“ sitzen im Deutschen Bundestag überwiegend „Parteienvertreter“. Demokratische Wahlen sind aber das Herzstück unserer Demokratie. Nur so kann alle Staatsgewalt wirklich vom Volke ausgehen. Deshalb ist es an der Zeit, im Bund so wie auch in den meisten Ländern endlich wirklich demokratische Wahlgesetze durchzusetzen.

© Hans-Dieter Weber


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